Sonntag, 21. Juli 2019

Schon gehört? - Marathonmann - 'Die Angst sitzt neben Dir'



Lange waren Marathonmann eine Randerscheinung in meinem Plattenregal.
Das lag weniger an der Qualität der Musik als an meinem Musikgeschmack, der sich gerade erneut im Wandel befand. Ich war wenig empfänglich für den harten Post-Punk, der mir damals mit ihrem Album „Mein Leben gehört Dir“ entgegenschwappte. Jedoch erschien Ende März ihre Single „Schachmatt“ und kurz danach „Nie genug“ die durchaus Lust auf mehr machten. Letztere löste sogar ziemlichen Hype bei mir aus. Diese beiden Songs lassen sich auf dem neuen Album der Jungs finden, dieses erschien am 19. Juli und hört auf den Namen „Die Angst sitzt neben Dir“.

Mit „Totgeglaubt“ wirft man dem Rezipienten direkt kaltes Wasser ins Gesicht. Nach einem kurzen Intro, beginnt man direkt mit Lyrics auf einem monoton Gitarrenspiel. Kurz danach bricht Marathonmanns Punk auf uns los. Sofort merkt man, dass hier Niemand etwas verlernt hat. Das Instrumental gibt eine ohrwurmanregende Melodie und der Text ist genial wie immer.
Mit „Flashback“ und „Nie Genug“ haben wir auch direkt zwei der, wirklich starken Singles im Doppelpack.
Flashback“ kommt direkt mit dem typischen Marathonmann Post-Punk Sound daher.
Während der Opener stimmlich noch weniger rau und sehr clean war, kehrt man hier zu „Holzschwert“ zurück und das schafft Abwechslung. Der Song ist härter und regt, mit seinen Riffs und punktierten Schlagzeugschlägen, zum heimischen poggen ein. „Nie genug“ bildet dann das komplette Gegenteil. Hellere Klangfarben, sehr melodisch und stimmlich clean. Hier sein mal die Texte von Marathonmann erwähnt. Diese waren schon immer hervorragend, lyrisch wie rhythmisch. Jeder Song greift ein anderes Thema auf und schafft dadurch eine Abwechslung, in der sich jeder irgendwo wiederfindet. So geht es bei „Nie genug“ darum, dass die Gier überhand nimmt und bei Menschen niemals ein Sättigungsgefühl einsetzt, was uns immer mehr kaputt macht.
Nie genug“ bleibt im Ohr und war, wie schon erwähnt, der Song welcher den Hype in mir vollkommen gemacht hat.
Mit „Alles wird gut, Alice“ kocht uns Marathonmann dann wieder runter, das gar fröhliche Gitarrenspiel wird umgewandelt und zu einem melancholischen und traurigen Instrumental.
Generell wirkt der Song etwas, wie ein Zwischenton. Er ist irgendwie nichts ganzes, aber auch nicht wegzudenken. Er bleibt leider kaum im Kopf und ist eher so ein B-Seiten Kandidat, was aber weniger an der Qualität seiner selbst als an der Qualität der anderen Songs liegt.
Die Vergessenen“ folgt und man geht wieder zurück zum typischen Marathonmann-Sound.
Punkiges Intro, das absolut in Ohr und Hirn hämmert.
Michaels Stimme setzt ebenso punkig ein und leitet durch den Song. Immer wieder bricht er dabei aus und geht in einen Schreipart über, welchen Fjort nicht besser aufnehmen könnte.
Danach folgt ein kompletter Bruch. „Die Bahn“ ist eine melancholische Ballade, welche in seiner Laufzeit wenig mehr als 3-4 Gitarrenakkorde hören lässt. Darauf wird ebenso ruhig gesungen und erst gegen Ende erhebt sich alles etwas. Dieser Bruch wirkt und zwar nachdrücklich. Sowohl textlich als auch instrumental wird man hier mitgenommen und findet ein Gefühl der Einsamkeit.
Wo wir schon bei Brüchen wären, mit „Schachmatt“ folgt die erste Single des Albums. Diese ist ganz typisch für die Jungs und hätte auch gut auf Holzschwert Platz gefunden. Sie ist hart, treibend und schnell, die Bridge nach den Strophen ist mit dem Refrain eine Garant für einen hervorragendes Liverlebnis. Am Ende des Refrains lässt man dann auch endlich einen richtigen Scream raus und sogar ein Breakdown ist im Song. Marathonmann zeigen mal wieder, wie deutscher Post-Punk geht und wie es sich anhören sollte. Großartiger Song.
Mit „22 Meter Sicherheitsabstand“ geht es wieder zurück zum eher fröhlichen von „Nie Genug“, leichte poppige Klänge im Intro inklusive. Die Stimme ist hier schnell und eher gesprochen. Der Refrain ist sehr rau aber trotzdem melodisch. Im Kern könnte man den Song als Mischung aus „Nie genug“ und „Schachmatt“ bezeichnen. Definitiv eines der Highlights.
Stigmata“ folgt und haut uns direkt feinsten Punk Rock um die Ohren. Der ganze Songs klingt sehr nach Bands wie Rogers oder Engst, jedoch hat man dem ganzen einen eigenen Touch gegeben und einen weiteren hervorragenden Text geschrieben, der zum nachdenken anregt.
Tausende Augen“ ist wieder ein Umschwung, ein ruhiger und trotzdem rauer Song. Der durch seinen Gesang an eine Rede erinnert, während die Instrumente im Hintergrund paradegleiche Rhythmen von sich lassen. Im Refrain wird man dann sehr pompös, man baut eine Spannung auf um sie dann mit einer Art Chor im Hintergrund zu entlassen.
Nach „Hobbs Ende“ folgt dann mit „Am Ende Nichts“, der letzte Song des Albums.
Man fährt das Ganze sicher nach Hause und setzt eine Ballade ans Ende, die allerdings anders ist als „Die Bahn“. Keine reduzierten Instrumente, lediglich sehr melancholisch und wieder traurig und gar depressiv, was durchaus zum Text passt, „Wie lang dauert es bis es unendlich ist?“
Der Song plätschert leider etwas zu sehr vor sich hin und bleibt nicht lang im Ohr, was wie bei „Alles wird gut, Alice“ auch daran liegt, dass wir eine wesentlich beeindruckendere Ballade in der Mitte der Scheibe haben.

Es ist leichter als gedacht, ein Fazit zu „Die Angst sitzt neben Dir“ zu ziehen.
Marathonmann haben hier definitiv ihr bestes Album abgeliefert. Sie gehören zu den Bands, die immer wieder zeigen, dass Punk Rock noch nicht ganz so tot ist, wie einige ihn gern hätten.
Die Angst sitzt neben Dir“ verbindet Post-Punk mit reinem Punk und Metalcore Passagen und formt daraus ein hervorragendes Album, welches definitiv betrachtet werden muss, wenn man über das Album des Jahres redet.
Marathonmann sind wieder da und haben uns einen wundervollen Teppich aus Melancholie, Melodie und Punk mitgebracht, große Klasse!


©Marathonmann



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